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Jehovas Zeugen gedenken ihrer Opfer des Nationalsozialismus
Zum 79. Jahrestag der Befreiung des KZ Mauthausen erinnern auch Jehovas Zeugen an ihre Opfer während des Nationalsozialismus. Sie wurden bereits ab dem Anschluss im März 1938 vom NS-Regime mit großer Härte verfolgt und spät rehabilitiert.

Wien, 5. Mai 2024 – Jehovas Zeugen wurden rasch nach der Machtergreifung Hitlers 1933 in Deutschland verfolgt und zählten mit zu den Ersten, die in Konzentrationslagern inhaftiert wurden. Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland 1938 begann die Verfolgung auch hier. Von den über 800 Zeuginnen und Zeugen Jehovas, die 1938 in Österreich lebten, wurden 730 unmittelbar oder mittelbar von den Nationalsozialisten verfolgt, 168 wurden ermordet oder starben an den Folgen unmenschlicher Behandlung.

Jehovas Zeugen stellten sich dem Nationalsozialismus von Anfang an konsequent und friedlich entgegen – aus christlicher Überzeugung. Sie gelten als die einzige Glaubensgemeinschaft, die geschlossen dem NS-Regime Widerstand geleistet hat. Daher wurden sie in den KZ als Gruppe mit einem lila Winkel an der Kleidung stigmatisiert. Sie zeigten ihre Ablehnung, indem sie den Hitlergruß ebenso verweigerten wie die Eingliederung in NS-Organisationen (z. B. NSDAP, Bund deutscher Mädchen, Hitlerjugend). Mit Kriegsbeginn kam ein weiterer Verfolgungsgrund hinzu: Die Weigerung an der Beteiligung kriegswichtiger Arbeiten (Rüstungsindustrie) wie auch alle Formen des Kriegsdienstes.

Auf Grund dieser Kriegsdienstverweigerung wurden einige Zeugen Jehovas wegen Zersetzung der Wehrkraft nach § 5 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung zum Tod durch Enthauptung verurteilt. Etwa 50 Männer wurden deshalb hingerichtet, die Mehrzahl in Berlin-Plötzensee oder im Zuchthaus Brandenburg-Görden.

Der bereits verstorbene Professor für Strafrecht an der Universität Linz, Reinhard Moos, begrüßte diesen Schritt: „Die Rehabilitierung von Zeugen Jehovas ist sowohl im Interesse der Hinterbliebenen zu begrüßen, die wissen sollen, dass ihre Angehörigen keine ehrlosen Verbrecher waren, als auch der Glaubensgemeinschaft, die sich darin bestärkt fühlen darf, dass ihre Idee der Nächstenliebe eine ungleich bessere war als die Ideologie des Nationalsozialismus, dem sie widerstanden haben … Das liegt auch im Interesse des ganzen Landes, das wissen soll, was die Zeugen Jehovas für den Frieden und gegen Hitler getan und erlitten haben und dass es höhere Rechtswerte gibt, als der Nationalsozialismus gelten ließ.“1

Der Kärntner Anton Uran wurde am 23. Jänner 1943 in Berlin-Brandenburg hingerichtet. Er war 1997 der erste Zeuge Jehovas in der Nachkriegsgeschichte, an dem das Landesgericht für Strafsachen in Wien ein Gesetz aus dem Jahr 1945 anwandte, um sein NS-Todesurteil aufzuheben und ihn zu rehabilitieren. Mittlerweile sind in Österreich durch das Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz 2009 alle Opfer gerichtlicher NS-Unrechtsentscheidungen rehabilitiert worden.

In seinem Heimatort Techelsberg bei Pörtschach am Wörthersee erinnert eine Gedenktafel an Anton Uran und weitere 30 Opfer des Nationalsozialismus aus den Reihen der Zeugen Jehovas.

2024 steht die Gedenk- und Befreiungsfeier in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen unter dem Motto „Recht und Gerechtigkeit im Nationalsozialismus“. Das dunkle Kapitel des Nationalsozialismus zeigt auch für die Opfergruppe der Zeugen Jehovas, dass Recht nicht immer Gerechtigkeit bedeutet und dass die zeitnahe und konsequente Rehabilitierung der Opfer wichtig ist – für die Nachkommen der Ermordeten und im Hinblick auf eine „widerstandsfähige“ Gesellschaft.


Jehovas Zeugen in Österreich
  • seit 7. Mai 2009 als Religionsgemeinschaft staatlich anerkannt
  • seit den 1920er Jahren mit einer Niederlassung in Wien präsent
  • sind eine christliche Gemeinschaft und stützen ihre Lehren auf die Bibel
  • ca. 22.400 Gläubige in etwa 290 Gemeinden (weltweit rund 8,8 Mio Gläubige)
  • sind multikulturell und halten Gottesdienste in 25 Sprachen ab (Deutsch, österreichische Gebärdensprache und 23 Fremdsprachen)
  • verweigern jede Form von Kriegsdienst, sind politisch neutral
  • leisten Zivildienst, Katastrophenhilfe, Krankenseelsorge und Gefangenenseelsorge
  • finanzieren sich ausschließlich durch freiwillige Spenden

  1. Moos, Reinhard, Recht und Gerechtigkeit, in: Kohlhofer, Reinhard (Hg.) Gewissensfreiheit und Militärdienst, S. 142 f. ↩︎